»Die Konferenz oder Wie G.O.T.T. erfunden wurde«
Roman, 605 Seiten, Paperback,
2005, Trafo Literaturverlag, Berlin
ISBN: 978-3-86465-056-7
Klappentext:
Ein junger Manager und ein todkranker Dichter freunden sich an, überleben einen Flugzeugabsturz in einer abgelegenen schneebedeckten Bergregion und erwachen in einem utopischen Paradies. Einhundert Menschen leben hier in einer alle Grundbedürfnisse bedingungslos befriedigenden Gemeinschaft von Gleichen. Doch natürlich gibt es auch in diesem Tal der Glückseligkeit verbotene Früchte und eine verborgene Wahrheit – allerdings hat dieses Paradies keinen Ausgang.
In einer Zeit, in der die Apokalypse modischer Gegenstand popkultureller Unterhaltung in TV- und Comic-Serien geworden ist, in der sich die Leute darum reißen, in BIG-BROTHER-Shows dauerüberwacht zu werden und die Untergangsprediger Hochkonjunktur haben, tritt Bernd Ulbrich einen Schritt zurück und betrachtet das Thema mit den Augen eines „Weisen vom Berge“. Die Moralphilosophie eines Immanuel Kant, die utopischen Ideen eines Plato, der immer noch unterschätzte Humor eines Franz Kafka und die Perspektive eines neoliberalen Wirtschaftsmathematikers sind die Filter auf der Linse, vermittels derer der Autor das ewige Streben des Menschen nach Freiheit und Erkenntnis unter die Lupe nimmt.
In seiner sprachmächtigen Parabel hält Bernd Ulbrich unserer Gesellschaft einen auf Hochglanz polierten schwarzen Spiegel vor das geschminkte, gepiercte, geliftete tätowierte oder sonnenstudiogebräunte Gesicht.
Horst Illmer
Kommentar:
Nach Flugzeugabsturz in eisiger Einöde erwacht Leander in idyllischer Umgebung; liebende Menschen pflegen ihn gesund. Doch nichts ist hier echt, nicht der Himmel, nicht das Wetter, nicht die menschlichen Verhältnisse, nicht sein Leidensgenosse Martin. Aus dem Traum wird ein Alptraum mit Mord und Kannibalismus in dieser unterirdischen Scheinwelt. Welche Mächte steuern die tödlichen Illusionen? Welche Interessen stehen hinter dem zynischen Experiment?
Leander findet es heraus und zahlt einen hohen Preis dafür.
»Zwischenspiel mit dem Tod. Ein Roman über die Liebe«
Roman, 660 Seiten, Paperback
2015, Trafo Literaturverlag, Berlin
ISBN: 978-3-86465-046-8
Klappentext:
Faszination und Grausamkeit des Krieges. Dito die der Liebe! Die Weltliteratur ist voll vom symbiotischen Miteinander dieser Extreme menschlichen Seins. Menelaos führt Krieg um Helena, Othello liebt glücklos Desdemona, Rhett Butler liebt Scarlett O’Hara, Tolstois Pierre liebt Natascha, Anna Karenina liebt Wronski. Um Frauen zu gewinnen oder zu vergessen ziehen Männer in den Krieg. Ein Ende nicht absehbar.
Aus enttäuschter Liebe verschreibt sich Sebastian, achtzehnjährig, dem Krieg des 21. Jahrhunderts. Schwerverwundet kehrt er zehn Jahre später aus Afghanistan zurück. Hat das Zwischenspiel mit dem Tod ihn etwas gelehrt? Zumindest den Mut, sich eigenem Versagen zu stellen, und dem der Geliebten zu begegnen. Doch davor sind andere Prüfungen gesetzt, neue Lieben, die keine sind, und alte Zwischenspiele in frischem Gewand. Wenn auch reifer, stünde er am Ende wiederum allein, wären da nicht sein Freund, der kosmische Sänger Zombie, intrigenverwickelt die wunderbaren Großeltern, Exprimaballerina Alice und Großschauspieler Albert, Onkel Paul, opernsingender Schneider aus Ulm, der philosophische Nachbar und Kräuterlikörexperte Prof. Schmalzenegger, nicht zuletzt die jüngst verstorbene Erbtante Amalie, der die ganze Gesellschaft via Internet manch wertvollen Tip aus dem Jenseits verdankt. Wie man zum Beispiel mit Leichen im Keller umgeht und mit der Liebe.
Kommentar:
Nach enttäuschter Liebe, Jahren des Kriegseinsatzes seelisch und körperlich traumatisiert, kehrt Sebastian aus Afghanistan ins Leben nach Deutschland zurück. Albert und Alice, seine wunderbaren Großeltern, stehen ihm zur Seite, nicht zuletzt Zombie. Der junge Mann gehört ebenso zu Tante Amaliens Erbmasse, wie ihre gespenstische Villa und die Leichen im Keller. Neue Lieben und Enttäuschungen bahnen sich an, nachbarliche Intrigen und familiäre Brüche sind programmiert. Anders jedoch als Tante Amaliens Ratschläge via PC aus dem Jenseits.
Zuletzt erschienen:
»Du bist nicht der Du warst wirst Du nicht sein«
2019
Als die Musik geendet hatte, legte sich eine merkwürdige Stille über den Platz. Selbst die Blicke der Umstehenden schienen zu schweigen. Für einen Augenblick waren der Haß, das Mitleid, die unbeantwortbaren Fragen an die deutschen Soldaten nach dem Warum in ihnen versiegt. Ein wimmernder Schrei bahnte sich seinen Weg. Irgendwo entstand Bewegung, pflanzte sich durch die Reihen fort. Hälse reckten, Köpfe drehten sich. Blicke suchten. »Was ist, was ist?« flog die Frage wie ein Schwarm scheuer Vögel auf und setzte sich mit der Antwort beladen wieder zur Ruhe: »Ein Kind wird geboren, ein Kind, o Gott, ein Kind.«
»Ein Arzt, ein Arzt!« erscholl der Ruf, und Alexander dolmetschte.
Ein grauhaariger russischer Leutnant tauchte auf und fragte, ob sich unter den deutschen Gefangenen ein Arzt befände. Klömring trat vor.
»Ty Wratsch, Doktor?«
»Da, da«, antwortete anstelle seiner Alexander.
»Bystro, bystro!« Der Leutnant winkte zur Eile. Klömring packte seine Doktortasche, die er auf irgendeine Weise durch alle Wirrnisse hatte retten können. Er zerrte Alexander mit sich.
»Komm, ich brauche dich als Dolmetscher.«
»Ja Perewoditjel«, erklärte Alexander dem Offizier.
»Skoro, bystro!«
So schnell wie gefordert und doch nur widerwillig, wie es Alexander schien, öffnete sich die Gasse zwischen den Menschen. Hinter ihnen schloß sie sich sofort wieder. Mißtrauen lagerte wie Staub aus seelischen Fragmenten auf den Gesichtern. Die Stille wirkte bedrohlich. Alexander kam sich vor, als hätten sie versprochen, ein Mirakel zu vollbringen. Mißlingt es, droht den falschen Wundertätern der Tod. Kopf ab, Herr Leutnant, wenn Sie die Prüfung nicht bestehen.
Die Kreißende lag auf dem Boden. Aus einer schäbigen Decke hatte man ihr eine Unterlage bereitet. Zwei Frauen leisteten bereits erste Hilfe. Aber es schien Komplikationen zu geben. Zwischen den Preßwehen wimmerte die Gebärende.
Der Stabsarzt riß sich die Uniformjacke herunter, verlangte heißes Wasser und saubere Tücher. Eine Bäuerin schleppte einen dampfenden Samowar herbei, ein großes Leinentuch wurde durchgereicht. Eilig aber doch gründlich wusch sich der Geburtshelfer die Hände. Er wies Alexander an, den Kopf der werdenden Mutter auf seine Knie zu betten.
»Sagen Sie ihr, sie soll ruhig und tief atmen.« Er tastete Bauch und Becken der jungen Frau ab. »Sie wird reißen. Ich werde ein wenig betäuben und schneiden. Sie ist eng gebaut. Wahrscheinlich ihr erstes Kind. Wir werden das nähen. Fertig jetzt. Sie soll jetzt pressen, atmen, pressen, atmen, pressen.«
Alexander hielt den Kopf der Frau. Ihre Fingernägel krallten sich in seine Handgelenke. Sie schrie und atmete schwer. Ihr Leid und ihre Anstrengung übertrugen sich auf Alexander. Er begann zu schwitzen. Ihrer beider Schweiß vermischte sich. Er massierte ihr Gesicht. Als wären sie eingeölt glitten seine Finger leicht über ihre Haut, fuhren behutsam im Rhythmus ihres Pressens über Wangen und Stirn. Sie biß ihn in den Handballen. Sein Blut vermischt mit ihrem Speichel rann ihr aus dem Mundwinkel. Dann brach ihr tiefer, gurgelnder Laut ab, ging über in tiefes, befreites Atmen. Sie fiel zurück, und in das Schweigen der Umstehenden drängte sich ein dünner Schrei.
»Ein Junge«, Klömring richtete sich auf.
»Maltschik«, wiederholte Alexander. Das Wort wurde weitergetragen, wiederholt und ergänzt. Aus dem vielstimmigen Flüstern wuchs ein Tosen, das als Siegesruf über das Areal brandete: »Maltschik rodilsja!« Eine Knabe ist geboren.
Klömring hatte alles Notwendige bereits erledigt. Das Neugeborene war abgenabelt, die Mutter versorgt. Während eine der Frauen den Säugling mit dem warmen Wasser aus dem Samowar wusch, gab er Anweisungen für ihre Behandlung. Alexander übersetzte.
»Choroscho«, sagte Klömring zu Alexander. Er erhob sich und begann sich zu waschen. »Es wäre wahrscheinlich schief gegangen ohne uns. Das hast du gut gemacht.«
Zu zweit wickelten die Frauen das Baby ein und machten Anstalten, der Mutter das Bündel anzuvertrauen. Doch dann hielten sie inne. Mit einem Blick verständigten sie sich. Sie boten Alexander das Kind dar.
»Nimm es nur in meinem Namen«, sagte Klömring
Die Frauen lächelten. Doch ihre Augen bewahrten all das Wissen um das Grauen des Krieges. Mit diesem Ausdruck verziehen sie den fremden Soldaten. Sie drückten keinen Dank aus, lediglich gütiges Verstehen. Vielleicht war es dieser Blick, der Alexander von den Toten seines Krieges erlöste. Er reichte das Baby an Klömring weiter, Der wiegte es halbwegs fachmännisch. Sein breites Gesicht glänzte wie die aufgehende Sonne. Glücklich täppisch, als sei er der Papa, grinste er und wollte es der jungen Mutter zurückreichen. Aber eine der beiden Helferinnen nahm ihm es ab, während die andere ihm leise erklärte: »Sein Vater ist vor einem halben Jahr gefallen.«
Der Blick der Witwe war dunkel, vielleicht vor Haß, vielleicht vor Erschöpfung. Sie nahm ihr Kind entgegen, ohne Klömrings und Alexanders eines weiteren Blickes zu würdigen. Vielleicht war ihr aber auch lediglich die Intimität peinlich, die sie alle drei nunmehr mit einander verband. Verlegen standen die beiden deutschen Soldaten in dem Kreis fremder Menschen. Klömring säuberte und ordnete notdürftig seine Instrumente. Massenhaftes Sterben hatten er und Alexander mit angesehen, myriadenfaches Leid, unendliches Elend. Tausende von Kilometern hatten sie zurückgelegt, um hier in einer namenlosen russischen Stadt einem Jungen auf die Welt zu helfen. Zum zweiten Mal öffnete sich ihnen die Gasse. Sie schritten durch das Spalier. Es war die einzige Ehre, die man ihnen antat.
»Wer hätte gedacht, daß wir in Rußland einfallen, um schließlich einer Russin bei der Geburt zu helfen«, bemerkte Alexander mit einem gewissen tragisch ironischen Unterton.
»Eine aufwendige Aktion für die deutsche Wehrmacht«, spottete Klömring. »Wahrscheinlich die teuerste Geburtshilfe in der Geschichte der Medizin.«
Kommentar:
Alexander hat das große Los gezogen. 1941, am Vorabend des Rußlandfeldzugs heiratet der Leutnant aus kleinbürgerlichem Haus die Tochter seines adligen Generals; der Traum einer Liebesheirat ohne Wenn und Aber. Doch die Zeiten sind der Liebe nicht günstig. Der Krieg verändert die Menschen. Für den Oberst endet er in russischer Gefangenschaft. Das Trauma, zu den Verlierern zu zählen, scheint umzuschlagen, als die Russen ihn hofieren. Alexander glaubt, den Teufel mit Beelzebub austreiben zu können und wird wiederum mißbraucht. Am Ende ist er General der NVA und hat alles verloren, seine Liebe, wie sich selbst. Marianne wäre seine Rettung gewesen. Sie hat zu sich selbst gefunden.